Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation und Theater
„Nachgefragt bei …“: Caroline Schneider!
Dieses Mal interviewt der Improblog Achtsamkeits- und Improtrainerin Caroline Schneider aus Konstanz. Sie verbindet Improvisation mit Achtsamkeitstraining und Meditationsübungen. Warum sie das tut und welche Erkenntnisse sie dabei erlangt hat, das verrät Caroline in diesem Beitrag.
Caroline, einer der von dir angebotenen Workshops heißt Meditation + Improtheater. Was hat dich dazu veranlasst, diese beiden Felder miteinander zu verbinden?
Ich war beim Winter-Retreat in Plum Village. Das ist ein buddhistisches Kloster in Südfrankreich. Ich fahre seit 2013 regelmäßig dorthin, weil mir die Lebendigkeit der Achtsamkeitspraxis dort so gut gefällt. Eines der Hauptanliegen von Thich Nhat Hanh, dem Gründer des Klosters, ist es das Gewahrsein für den gegenwärtigen Moment in alle Bereiche unseres Lebens zu bringen. Er hat eine wunderbar einfache Art einem die Erkenntnisse Buddhas und seiner Schüler nahezubringen und er hat viele ganz konkrete Vorschläge, wie man Achtsamkeit im alltäglichen Leben und in Beziehungen üben kann.
An einem der Tage konnte jeder, der wollte, einen Workshop für die anderen Retreatteilnehmer anbieten. Da habe ich einen Improworkshop angeboten. Ich hatte immer schon gedacht, dass Impro eine wunderbare Möglichkeit ist, zu üben, die eigene Achtsamkeitspraxis auch im Tun zu bewahren und auch in Situationen, die uns stressen. Und das auf eine verspielte und freudige Weise. Mich bereichert diese Kombination in meinem Leben schon lange. Ich dachte auch, ein bisschen Impropfeffer tut den Meditierenden ganz gut.
Der Workshop machte mir total viel Spaß und hat mich erstaunt. Es war auffällig für mich, dass wir auf einem ganz anderen Level miteinander spielten, als ich es sonst von Anfängern gewohnt bin. Ich war danach total inspiriert. So wie Meditierende durch Improtheater um Lebendigkeit bereichert werden können, kann Meditation Wahrhaftigkeit und Authentizität in das Spiel von Impros bringen, dachte ich mir. Und das wollte ich ausprobieren.
Wie kann ich mir so einen Workshop konkret vorstellen? Spielt man statt eines Gromollo-Swich ein Ohm-Switch?
(lacht) Oh, das klingt ziemlich langweilig! Aber eigentlich ist deine Idee gar nicht so falsch. Tatsächlich geht es mir darum genau diesen „Switch“ von einer gewissen Langsamkeit, die es vereinfacht gewahr gegenüber dem zu sein, was der gegenwärtige Moment anbietet, zu fließendem, ungebremstem Handeln zu üben. Konkret bedeutet das, dass wir in dem Workshop immer wieder zwischen Meditationen und Improspiel hin- und herwechseln. In den Meditationen geht es darum ganz konkret Achtsamkeit zu üben. Also immer wieder bewusst zu etwas im gegenwärtigen Moment zurückzukehren auf das wir unseren Fokus richten: dem Atem bei einer Sitzmeditation, unseren Körperempfindungen bei einer Gehmeditation oder unseren Gefühlen bei einer Übung des achtsamen Sprechens und Zuhörens.
Ich erlebe, dass diese Übungen einen wunderbaren Boden bereiten vertrauensvoll und neugierig Impro zu spielen. In den Improübungen und der Szenenarbeit üben wir das, was eh schon da ist, zu entdecken, anstatt uns etwas auszudenken, und dem einen Namen zu geben, was wir entdeckt haben, es auszusprechen. Das kann der Gesichtsausdruck unseres Spielpartners sein, unsere Körperhaltung oder unsere Empfindung in diesem Moment. Wir fragen uns, wie wirkt das auf uns? Welche Assoziationen habe ich dazu? Der Gesichtsausdruck wirkt für mich wie der eines Vaters, eines Lehrers, eines Kapitäns. Dann geht es darum zu entscheiden und zu TUN. Ich gebe dem was ich wahrnehme einen Namen, verkleinere den circle of possibilities und forme damit eine Geschichte: ‚Vater, ich bringe dir hier mein Zeugnis‘. Ich tue EINEN Schritt. Mehr muss ich nicht tun oder wissen.
Und dieser Schritt ist ein Geschenk an meinen Partner. Auch er muss nicht mehr tun oder wissen, als das, was mein Schritt in diesem Moment mit ihm macht. Empfindet er Überraschung, weil er eine ganz andere Idee hatte? Oder Neugier über meinen Vorschlag? Oder Unsicherheit, weil er nicht weiß, was er tun soll? Genau das kann er aussprechen UND in die Geschichte einfügen. ‚Ich bin überrascht, mein Sohn, dass du jetzt erst zu mir kommst‘. So können wir Szenen und Geschichten gemeinsam entdecken. Diesen ständigen Switch zwischen wahrnehmen und gestalten und wahrnehmen und gestalten üben wir in dem Workshop. Also ja, eigentlich ist es ein Ohm-Switch!
Ok, dann stelle ich jetzt mal eine noch “größere” Frage: Glaubst du, dass Improtheater, gerade in Verbindung mit dem Thema Achtsamkeit, die Improvisierenden zu besseren Menschen und die Welt zu einem besseren Ort machen kann? Beabsichtigst du das?
Wow, das ist ’ne Frage! (lacht)Ich glaube, dass wir alle in unserem Wesenskern wunderschön und gut sind. Ich denke auch, dass jeder Mensch kreativ ist. Die Frage ist, was den Weg zu unsrer inneren Schönheit und Schöpferkraft blockiert. Und wie wir das, was dahinter steckt ent-decken können. Wenn ich Schöpferkraft sage, dann meine ich nicht nur unsere künstlerische Kreativität, sondern auch unsere Fähigkeit unser Leben aktiv zu gestalten. Eine der großen Lehren des Improtheaters ist, dass wir immer handlungsfähig sind.
Beim Improtheater können wir spielend immer wieder üben, dort wo es innerlich eng wird, wo wir uns fürchten oder unser innerer Kritiker seine Lieblingsparolen posaunt, auszubrechen und Raum zu schaffen. Ich bin überzeugt, egal in was für einer Situation wir stecken, wir haben immer eine Wahl. Und um die weise treffen zu können, müssen wir erst einmal wahrnehmen und darauf lauschen, was wir wirklich wollen. Dafür brauchen wir Achtsamkeit. Und die Fähigkeit mutige Entscheidungen zu treffen, können wir beim Improtheater spielend erproben. Menschen dabei zu unterstützen mit dem in Kontakt zu kommen, was in ihnen lebendig ist und gemeinsam einen Blick auf das zu wagen, was hinter unseren Ängsten, Gewohnheitsmustern und Schutzmechanismen steckt, das macht mich glücklich. Und weil ich ja wählen kann, womit ich meine Lebenszeit fülle, beabsichtige ich davon ganz viel zu haben!
Caroline, vielen Dank für diesen Einblick in deine Arbeit. Wie, wo und wann kann ich das selbst mal ausprobieren, wenn ich möchte? :)
Komm Anfang November nach Konstanz! Am 4. und 5. November ist der nächste Workshop „Meditation und Improtheater“. Oder wenn du es einfach haben magst, ich komme am letzten Januarwochenende (Anm. d. Red.: Am 27. und 28. Januar 2018!) nach Zürich und biete den Workshop dort an. Und wenn du mehr wissen magst über meine Workshops und Kurse, kannst du gerne auf meiner Homepage nachschauen www.achtsamkeit-und-improtheater.de oder ich schicke dir meinen Newsletter. Danke für das schöne Gespräch, das hat mir Spaß gemacht!
Mehr Infos zum Kurs in Zürich findest du hier: Impro & Achtsamkeit