Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation und Theater
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Wann bist du Herrin, wann bist du Diener? Wann Hoch- und wann Tiefstatus? Diese Fragen stellt sich Amrei Rasch in ihrem aktuellen Improblog-Beitrag. Denn Status gibt es immer und überall. Und damit zu spielen, das lernen wir beim Improtheater.
Neulich war Roberto bei uns zu Besuch, ein sehr guter Freund und gestandener Therapeut. Wir haben uns über Coaching & Improvisation ausgetauscht. Und über Status. Ein spannendes Phänomen.
Im Tierreich würde man sagen, Status ist die Hackordnung: wer ist der Ranghöchste, zweithöchste, … und wer kommt zum Schluss. Bei uns Menschen läuft das weniger durch sichtbare Kämpfe ab, sondern wir rangeln meist unterbewusst und subtiler miteinander.
Während Roberto und ich also über Statusphänomene sprachen, habe ich mich plötzlich gefragt, wie eigentlich die Rangordnung zwischen Roberto und mir ist. Roberto schaut toll aus: gross, dunkler Mantel, weisse Locken, Künstlertyp, tiefe, sonore Stimme, spricht langsam und überlegt. Er ist älter als ich, weiss viel, bringt spannende Themen auf und macht einen festen, gestandenen Eindruck. Sein Auftreten hat etwas Herrschaftliches.
Der König in dir
Und weil er so daherkommt, in seinem „königlichen Künstlerstyle“, läd er mich dazu ein, ihm zuzuhören, begeistert zu sein, ihm den Wein zu reichen und Raum zu geben. Das ist natürlich meine ganz persönliche Reaktion auf ihn – andere reagieren möglicherweise ganz anders.
Im anundpfirsich-Jargon würde ich sagen, Roberto agiert aus einem Hochstatus heraus und ich aus einem Tiefstatus. Die Gründe dafür sind zahlreich: so spielen Alter, Grösse, Rolle, Geschlecht oder Beruf sowie die innere Haltung wichtige Rollen.
Beim mir kommt in solchen Momenten stets die spannende Frage auf: Bleibt der Status, einmal etabliert, dauerhaft so?
Wer holt den Wein und schenkt ihn ein?
Meine Antwort: Nein, es kommt drauf an. Status kann immer wieder kippen. Und zwar entweder durch Statusänderungen im Aussen (mir würde über Nacht die Kanzlerkandidatur angeboten werden) oder im Innen (ich ändere meine innere Haltung und beginne beispielsweise damit, Roberto Anweisungen zu geben: „Ach, Roberto, hol mir doch ein Weinglas aus der Küche und schenk mir ein bisschen Wein ein.).
Im Improvisationstheater nutzen wir das Statusphänomen auf der Bühne dazu, Spannung aufzubauen und auch, um Humor zu erzeugen. So kann aus der Tiefstatus-Kassiererin schnell eine Hochstatus-Kassiererin werden, wenn der bisher reiche und arrogante Kunde plötzlich pleite ist, und sie ihm daraufhin seine teuren Einkäufe verweigert.
Das ganze Thema Status fächert sich noch weiter auf, weil es eine innere und eine äussere Seite des Status gibt: so kann die Kassiererin zwar im Aussen wenig Status haben, aber im Inneren eine Diva sein. Und umgekehrt kann der König des Landes im inneren ein schüchterner, unfähiger Junge sein. (Anm. d. Red.: Warum kommt mit gerade Johann Schneider-Ammann in den Sinn? ;-)
Status im täglichen Leben
Im täglichen Leben erkennen wir Status-Phänomene oft nicht bewusst, aber sie spielen eine grosse Rolle. Wer hat das Sagen in einer Teambesprechung? Wer entscheidet? Wer setzt sich durch? Wer gibt nach? Diese einmal transparent zu machen und zu spielen kann sehr erhellend sein, sowohl für Impro-Szenen als auch für das tägliche Theater, was jeder von uns erlebt.
Roberto hat mir übrigens tatsächlich ein Glas Wein gebracht. Er weiss natürlich auch bescheid über Statusspiele und hat locker mitgespielt.
Was hast Du zum Thema Status schon erlebt? In welchen Zusammenhängen spielst du bewusst damit? Welche Statusspiele hast Du schon ausgefochten oder sein lassen?
PS: Zum Schluss noch ein heisser Tipp für alle Status-Fans: Im Frühjahr 2017 bietet das theater anundpfirsich wieder Seminare zum Thema Status an.