Im heutigen Beitrag outet sich Frank Renold als Freund der Manipulation. Denn wer auf andere Menschen einwirkt, der manipuliert. Der ist ein Manipulator. Ohne Manipulation geht es nicht! Oder?

Ich bin Schauspieler und Trainer. Bei Vorstellungen steuere ich deine Fantasie, zeige dir Bilder, Figuren und Geschichten, die dich beinflussen und deine Wahrnehmung verändern. In Trainings und Coachings verändere ich deine innere Haltung. Wie du dich selber wahrnimmst, wie du handelst und Spielräume nutzt. Dabei nutze ich sämtliche Möglichkeiten der Kommunikation. Ich erzähle Geschichten, schlüpfe in fremde Körperlichkeiten, argumentiere und überzeuge. Ich trickse, ich lüge dich an, ich manipuliere.

Ganz schön fies und unehrlich

Das Wort Manipulation bedeutet wörtlich “etwas in der Hand haben”, und wird in der Psychologie und in der Alltagssprache oft auch im Sinne von “gezielter, verdeckter Einflussnahme” verwendet.

Genau das tue ich, in diesem Sinne handle ich. Ich möchte mit kommunikativen Mitteln etwas verändern. Etwas in die Hand nehmen. Manipulieren. Dich. Mit dir, aber auch mit mir. Ob für dich meine Intention ständig transparent ist, ist für mich zweitrangig. Viel wichtiger ist mir, mit welcher Wertehaltung ich einwirke. Ich will positiv manipulieren.

Ein Grundsatz der Improvisation lautet: Let your partner shine. Oder auch: Gehe davon aus, dass dein Gegenüber ein Genie ist. Das beinhaltet grossen Respekt vor meinem Vis-à-vis. In diesem Sinne gehe ich nicht davon aus, dass andere Menschen dumm, hilflos und meinen Manipulationsversuchen wehrlos ausgesetzt sind. Im Gegenteil. Ich bin gespannt auf ihre Reaktionen und nehme diese ernst, bevor ich einen nächsten Schritt ins Auge fasse. Es ist ein Spiel. In Trainings wie auf der Bühne. Mein Publikum hat immer recht. Wenn es lacht, wenn es gähnt, wenn es schreit oder leise einatmet.

Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung?

Vor wenigen Tagen habe ich angehende Anwälte für ihre letzte und grösste mündliche Prüfung trainiert. Wer diese Prüfung nicht besteht, erhält keine Zulassung als Anwalt und muss entsprechend seine langjährige Karriereplanung neu gestalten. Zum Abschluss eines intensiven Trainingstages habe ich folgende Übung geplant: Jede Kandidatin, jeder Kandidat tritt allein ins Scheinwerferlicht auf die Bühne, schaut sein Publikum an und sagt den Satz: “Ich bestehe die mündliche Anwaltsprüfung weil …” und ergänzt das Ende mit einer ganz persönlichen Stärke. Im Anschluss an ihren gesprochenen Satz erhalten Sie von der ganzen Gruppe einen tosenden Applaus. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung?

Beim Planen der Übung war ich unsicher. Rein statistisch werden einzelne der Gruppe die Prüfung nicht bestehen. Leite ich sie also an, sich selbst anzulügen? Manipuliere ich sie wider der Realität? Wie geht es Ihnen im Falle eines Misserfolgs rückblickend mit der Übung? Sind sie dann noch enttäuschter als sie sonst gewesen wären? Setze ich mit der Ausgangslage soviel Druck auf, dass die Kandidaten (in ihren Prüfungen) unsicher wirken und die Übung ihren Zweck verfehlt?

In diesem Moment wurde ich manipuliert

Im Moment des Trainings habe ich mich dafür entschieden, die Übung durchzuführen. Und ich war baff, wie sie von den Teilnehmenden umgesetzt wurde. Jede und jeder einzelne hat auf seine ganz authentische Art geglänzt. Ich sah selbstsichere und ehrliche Persönlichkeiten. Gestandene Anwälte. Überzeugend. In diesem Moment wurde ich von ihnen manipuliert. Und das, da bin ich ganz ehrlich, habe ich genossen. Nun bin ich gespannt auf die Prüfungsergebnisse…

Wie auch immer die Prüfungen ausfallen werden, ich behaupte: Wer manipuliert, der handelt. Wer handelt, verändert die Welt. Wer dabei offen bleibt für sein Gegenüber, lernt Neues. Sei mutig! Beginne zu manipulieren – hinterlasse Spuren!

Konnte ich dich gerade manipulieren? Hat sich etwas bei dir verändert? Was ist deine Meinung? Ich bin gespannt auf deine Reaktion. Damit die Diskussion gesammelt stattfindet idealerweise hier als Kommentar.