Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation
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Viele spannende Gedankengänge und Gespräche passieren am Küchentisch, mit der Familie oder mit Freunden. So auch bei Gabriela, die sich gemeinsam mit ihrer Familie über Impro und Religion unterhielt bzw. ihre Tochter zu bekehren versuchte. Zumindest hatte ihre Tochter dieses Gefühl…
Gestern habe ich beim Abendessen meiner Familie mit grosser Inbrunst erklärt, wie die Welt mit Impro zu retten wäre.
„Wäre es nicht toll, wenn es etwas mehr ‘Yes and’ auf der Welt gäbe, wenn wir unsere Nachbarn besser aussehen lassen würden, wenn es ‘eine Fehler sind erlaubt Kultur’ gäbe und wir alles gute Zuhörer wären? Wäre es nicht wunderbar, gemeinsam Neues entstehen zu lassen, mit grosser Aufmerksamkeit auf das Ganze? Wäre es nicht um einiges einfacher, wenn man das Akzeptieren würde, was man nicht ändern kann? Wäre es nicht friedvoller, wenn mehr Achtsamkeit füreinander da wäre?“, sagte ich. Dann unterbrach mich meine Tochter in meine Ausführungen und fragte besorgt, ob ich einer Sekte oder einer neuen Religion beigetreten sei.
Nein bin ich nicht. Und Impro ist auch keine Religion. Aber worin liegt der Unterschied? Gibt es gar Parallelen? Hier ein paar Gedanken dazu:
Unter dem Begriff Religion versteht man eine Vielzahl unterschiedlicher kultureller Phänomene, die den Glauben an eine Welt der Gottheiten oder der Spiritualität beinhalten. Impro besitzt keine mir bekannten Gottheiten, wohl aber ein paar Propheten, die glauben, die wahre Lehre zu kennen. Einige der zentralen Punkte bei der Spiritualität sind: Erkenntnis, Mitgefühl, Toleranz, bewusster Umgang mit anderen und die Meditation. Gerade auch in der Meditation beschäftigt man sich mit dem Loslassen und dem im Moment sein. Hier sehe ich grosse Überschneidungen mit der Kunstform der Improvisation, unserem Tun auf und neben der Bühne.
Religionen beeinflussen das menschliche Verhalten, Handeln, Denken und Fühlen und auch die Wertvorstellungen. Impro tut das gleiche. Wenn ich Impro spiele oder unterrichte, will ich damit auch immer ein bisschen die Welt retten oder zumindest ein bisschen besser machen bzw. aussehen lassen.
In vielen Fällen liefern Religionen Antworten auf die Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen – zum Beispiel durch den Glauben an eine ‘unsterbliche Seele’ und das ‘ewige Leben’. Jedenfalls bettet Religion das Schicksal des Einzelnen in einen höheren Sinn ein. Liefern wir mit Impro auch darauf Antworten? Meine Antwort: Nein, das tun wir mit Bestimmtheit nicht. Unser Spiel und unsere Szenen gehen wohl der Frage nach, woher wir kommen und wohin wir gehen. Jedoch bietet Impro keine Antwort auf die Frage, was nach dem Tod kommt. Hier findet man den grössten Unterschied zwischen den beiden Begriffen Impro und Religion.
Impro ist keine Religion! Das weiss ich. Aber wenn einige Grundgedanken der Impro auch neben der Bühne gelebt werden, verhilft das zu mehr Menschlichkeit! Und das ist in meinen Augen genau das, was eine Religion eigentlich schaffen sollte. Eine Religion sollte verbinden und nicht trennen, sollte Sicherheit bieten und die Lust auf gemeinsames Entdecken wecken anstatt Angst zu machen.
Deshalb sage ich: Lasst uns mehr Impro leben auf dieser Welt – mit Freude am Tun und nicht mit Fanatismus! Impro wird Religion nicht ersetzen, aber gewiss sinnvoll ergänzen.
(In diesem Sinne: 3, 2, 1 – Amen! (Abschliessende Anmerkung der Redaktion))