Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation
In diesem Blogbeitrag schreibt Amrei Rasch kurz nach Weihnachten zum Thema “Familiengründung und Improvisation”. Sie ist vor wenigen Wochen Mutter geworden. Und wie es mit frischem Nachwuchs so ist: nichts ist wie zuvor, vieles steht Kopf. Da hilft nur eins: Loslassen und improvisieren.
Mein Mann und ich wohnen in einer 75 Quadratmeter grossen Wohnung in der Züricher Innenstadt. Vor einiger Zeit haben wir den Entschluss gefasst, eine Familie zu gründen. Bei manchen geht die Umsetzung ja hoppladihopp, bei uns hat es erst mal gedauert. Zu zweit, ohne Kind, war unsere Wohnung für mich bisher immer recht grosszügig geschnitten und konnte variabel umdefiniert und gestaltet werden. In den vergangenen Jahren wechselten wir die Funktionen und Namen der Zimmer von Wohn- und Schlafzimmer zu Arbeits- und Musikzimmer. Und wir hatten sogar noch weitere Ideen. Gerne hätten wir einen Lesesalon, ein Sport- und Yogazimmer und eine IT/Kommunikations-Zentrale, sowie einen Theatersaal aufgebaut.
Doch nun ist alles anders, seit Dezember haben wir eine Tochter. Braucht sie ein ganzes Zimmer für sich allein? Was ist mit meiner Privatsphäre? Und wo soll mein Mann hin, mit all seinem Kruscht? Unsere Wohnung kommt mir gerade vor wie ein Wesen: sie lebt! Hatte ich nicht das Handy gestern Abend neben das Bett gelegt? Wo sind die Hausschuhe hingelaufen? Den Kellerschlüssel ziehe ich aus der Küchenschublade, wo er doch bisher immer neben der Türe hing. Und ein weiterer magischer Effekt tritt ein: je mehr wir uns von Sachen trennen und wegwerfen, desto mehr kommt durch die Hintertüre wieder herein.
Seitdem ich begreife, dass unsere Wohnung lebt, habe ich ihr einen Namen gegeben: Sie heisst jetzt Urgl! Ach ja, seit einer Woche wohnen sogar noch zwei Personen mehr mit in unserem Haushalt. Meine Eltern. Sie sind für drei Wochen bei uns eingezogen. Nun sind wir vorübergehend ein 5-Personen-Haushalt, wohnhaft in drei Zimmern. Und extra dafür hat sich Urgl etwas besonders nettes ausgedacht. Sie hat sich ausgedehnt. Jedenfalls kommen wir zu fünft in der Urgl besser klar als vorher zu zweit. Urgl zeigt sich von ihrer unbekannten, besseren Seite und bietet erstaunlich viel Platz, den wir (mein Mann und ich) bisher gar nicht so wahrgenommen haben. Jedenfalls fühlen wir uns mit unserem kleinen Neuankömmling und meinen Eltern pudelwohl. Sogar die Hausschuhe tauchen plötzlich von alleine dort wieder auf, wo man sie zuletzt ausgezogen hat.
Ich finde, wir sollten alle ein bisschen näher zusammen rücken! Es ist mehr Platz da, als man oft so meint. (Anm. d. Red.: Stimmt! Aber Amrei, wann fällt den endlich das Wort Improvisation?) Und Impro? Ach ja, Improvisation und Familiengründung. Das hat natürlich sehr viel miteinander zu tun. Dem Baby improvisierte Lieder vorsingen, Marionetten-Theater spielen und mit meinem Partner den Alltag neu erfinden – das sind alles Schätze, die mir nur die Impro-Welt vermitteln kann. Familiengründung ist schlicht und einfach die beste Spielwiese für Improvisation. (And. d. Red.: Danke!)