Ich lese gerade das brandneue Buch “Breakthrough Performance” von Cathy Salit, der Gründerin von Performance of a Lifetime (eine New Yorker Firma, die mit gestandenen Managern Improtheater macht). Diese Lektüre hat mich zu diesem Blogeintrag inspiriert. Wenn du das hier liest und hoffst, du findest in diesen Zeilen “Die 7 ultimativen Regeln der Improvisation”, dann musst du nicht weiterlesen: sie existieren gar nicht.
Gratulation, wenn du am weiterlesen bist, dann hast du die Illusion aufgegeben, die 7 ultimativen Regeln der Improvisation zu finden (oder vielleicht hofft ein kleiner Teil von dir immer noch insgeheim, irgendwann erleuchtet genug zu sein, um diese Regeln ein für allemal zu entdecken. Mal ehrlich, das wäre schon cool. Ich auf jeden Fall, glaube schon noch irgendwie daran).
Ein paar Grundsätze
Gehen wir einen Schritt zurück. Wir haben irgendwann mit Improtheater begonnen und haben von unserer Improlehrerin ein paar Grundsätze mit auf den Weg bekommen. Diese haben uns dabei geholfen, bessere und spannendere Improszenen zu spielen. Im Laufe der Zeit sind vielleicht ein paar dieser Regeln selbstverständlich und alltäglich geworden.
Vielleicht sind aber auch ein paar neue dazugekommen, z.B. weil ein toller Lehrer auf einem tollen Festival was tolles gesagt hat. Und das haben wir dann in unser Moleskin-Büchlein notiert und farbig umrahmt. Oder weil wir selber in uns gegangen sind und für uns persönlich einen hilfreiche Regel gefunden haben. Implizit verfügen wir alle über eine endliche Anzahl von Impro-Grundsätzen, die uns im Moment hilfreich erscheinen.
Wem geben diese Regeln Halt?
Warum verspüre ich denn den Wunsch, diese Regeln festzuhalten? Reicht es nicht, wenn ich diese Regeln spüre und für mich verstehe? Ich glaube, es hat vor allem mit dem Unterrichten zu tun. Wenn ich Improvisation unterrichte, sei es auf der Theaterbühne oder in Unternehmen, dann können diese Regeln den Impro-Neulingen helfen. Sie geben etwas Halt in einer Disziplin, die anfangs sehr chaotisch wirken kann. Vielleicht geben die Regeln auch mir als Improlehrer halt?
Kinder können einfach spielen, ohne Regeln. Und falls Regeln fürs Spielen notwendig werden, erfinden sie diese im Laufe des Spiels fortwährend. Erwachsene brauchen Regeln, um miteinander spielen zu können. Erwachsene wollen wissen was alles erlaubt ist, was nicht, was Fehler sind und wie genau die Punkte gezählt werden. Ich glaube es ist diese erwachsene Seite in mir, die dem kindlichen Spiel nicht 100% vertraut, die gerne die 7 ultimativen Regeln der Improvisation hätte.
Das glitschige Regelset
Und nun kommt mein Geständnis: ich habe in den vergangenen fünf Jahren immer wieder einen Anlauf genommen, ein solches Regelset zu definieren. Diese Arbeit kommt mir vor wie ein glitschiger Fisch: jedes mal wenn ich zupacke und denke “Ha! Jetzt hab ich dich!” entgleiten mir diese verflixten Improregeln wieder und verschwinden im tiefen Gewässer…
Wäre es nicht schön, wenn wir ein paar wenige, griffige Improregeln hätten, die unsere Improvisationen auf der Bühne unterstützen? Die aber auch in unserem Alltag hilfreich sind und gleichzeitig für unsere Arbeit mit Teams, Unternehmen und Organisationen angewandt werden können?
Prinzipien-Vielfalt
Nehmen wir einmal an, es gäbe diese Regeln, wie würden sie dann lauten? Und wie viele sind es? 3, 4, 5, 7, 9 oder 13? Und noch was: wie nennen wir das Ganze: Regeln? Weisheiten? Prinzipien? Grundpfeiler? (Anm. d. Red.: Fundament? Dann hat es das Wort Spaß noch mit drin, wenn auch auf Englisch)
So, und jetzt lasse ich die Katz aus dem Sack: für unsere Arbeit mit Unternehmen haben wir vom theater anundpfirsich einmal folgende Prinzipien definiert (ja, richtig bemerkt, es sind gar nicht 7 sondern nur 6):
1. Das YES-AND-PRINZIP anwenden
2. Flexibel agieren
3. Dem Team vertrauen
4. Mut zum Risiko entwickeln
5. Den ersten Impuls Packen
6. Humor ins Spiel bringen
Und hier noch eine nicht repräsentative Auswahl an Regeln, Weisheiten und Prinzipien aus der Impro-Literatur:
the six tenets of Improv – Breakthrough Performance (Cathy Salit), ja genau, das Buch, das ich gerade lese.
1. Yes, and…
2. Make the other person look good
3. Celebrate mistakes and failures
4. Follow the follower
5. Delight in curveballs
6. Go into the cave
Vierzehn Weisheiten für Impro-Spieler (Dan Richter)
1. Hab keine Angst
2. Akzeptiere
3. Spiele das Spiel
4. Behaupte
5. Setz dich ein
6. Hör zu
7. Sei wach für Formen
8. Unterstütze deinen Partner
9. Unterstütze die Szene
10. Beobachte deine Umwelt
11. Beobachte die Künste
12. Wisse Bescheid
13. Trainiere
14. Spiele die Show, die du selber sehen willst
The 7 habits of great improvisers – Yes, And… (Gijs van Bilsen, Joost Kadijk & Cyriel Kortleven)
1. Say yes, and…
2. Be flexible
3. Be in the moment
4. Experiment
5. Follow your intuition
6. Make others look good
7. Dare to fail
7 skills of improvising – The Way of Improvisation, TEDxVictoria (Dave Morris)
1. Play
2. Let yourself fail
3. Listening
4. Say YES
5. Say AND
6. Play the game
7. Relax and have fun
7 Tipps – Troje, Henk van der Steen & Alieke van der Wijk
1. ‘yes, and…’ instead of ‘yes, but…”
2. be here now
3. face your fears
4. it’s ok to make mistakes
5. let the others shine
6. humour as a power tool
Nun bin ich gespannt auf deine Meinung. Braucht es ein solches Regelset? Ist es hilfreich oder eher hinderlich? Wenn ja, wie lautet dein ganz persönliches Regelset?