Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation
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Improspieler sind gefordert, sich regelmΓ€ssig ihren inneren Monstern zu stellen. So auch Frank Renold vom theater anundpfirsich. Er stellt in diesem Blogbeitrag die Frage, wie wir als Improspieler und -trainer anderen Menschen (z.B. aufstrebenden FΓΌhrungskrΓ€ften und Managern) helfen kΓΆnnen, mit Neugierde ihren persΓΆnlichen Monstern zu begegnen und aus diesen Begegnungen zu lernen. Und er erzΓ€hlt eine schΓΆne Geschichte.
Beitragsbild von Tambako The Jaguar via Flickr
“Rita spaziert alleine durch einen finsteren Wald und findet eine HΓΆhle. Aus der HΓΆhle hΓΆrt sie ein tiefes, lautes SchnarchgerΓ€usch. Das muss ein furchtbares Monster sein, das da schlΓ€ft. Sie hΓ€lt den Atem an und schleicht, statt sich dem Monster zu stellen, langsam davon. Kurz darauf kommt sie sicher zu Hause an …” Nicht gerade spannend, oder?
Beim GeschichtenerzΓ€hlen nennen wir es “meet the monster”, wenn Figuren ihren Feinden und Γngsten begegnen. Sie stellen sich ihren Monstern statt davonzulaufen – und so entwickelt sich etwas Neues. Wir nutzen dieses Mittel in der Improvisation, um die Entwicklung der Geschichte voranzutreiben. Nur so bleibt die Geschichte spannend. Doch ist die Idee von “meet the monster” nicht allein auf das ErzΓ€hlen von Geschichten beschrΓ€nkt, sie lΓ€sst sich auch ausserhalb von Geschichten gut nutzen.
FΓΌhrungskraft trifft Monster
In der letzten Woche haben wir (zwei Kollegen vom theater anundpfirsich und ich) aufstrebende Talente eines internationalen Versicherungskonzerns gecoacht. Das Training war so gestaltet, dass keine zu entwickelnden FΓ€higkeiten vorgegeben waren. Die Teilnehmenden haben zusammen mit erfahrenen Coaches einzeln ihre persΓΆnlichen Entwicklungsfelder aufgestΓΆbert und wir haben dazu fΓΌr jede und jeden individuelle Lernumgebungen geschaffen. Mit ImprovisationsΓΌbungen und Rollenspielen hatten alle die MΓΆglichkeit, persΓΆnliche Handlungsmuster zu durchbrechen, welche sie oder ihn am Weiterkommen hinderten.
Ich war und bin beeindruckt, wie offen und ehrlich diese ehrgeizigen FΓΌhrungskrΓ€fte ihre Monster identifiziert und darΓΌber mit den anderen Teilnehmern und uns gesprochen haben. Umso faszinierender, weil sie wussten, dass wir sie mit unseren Γbungen und Spielsituationen an Orte treiben wollten, wo sie ihre Monster antreffen und erleben wΓΌrden.
Hier ein paar Beispiele von “Meet your monster”-Situationen im Businessalltag:
- In einer Diskussion mit Vorgesetzten komme ich nicht zu Wort, obwohl ich in der besprochenen Sache am meisten Wissen habe. (Thema: Sich durchsetzen)
- Meine Kollegen haben das GefΓΌhl, dass ich ihnen nicht helfen will. Dabei gehe ich einfach nur davon aus, dass alles okay ist, solange sie nicht nach Hilfe fragen. Ich habe doch genug zu tun mit meinen eigenen Projekten. (Thema: Unstrukturierte soziale Kontakte nutzen)
- Mein ganzes Team kommt mit Problemen zu mir. Ich rede an manchen Tagen mit so vielen Leuten, dass ich nicht mehr dazu komme meine eigentliche Arbeit zu machen. (Thema: Zeitmanagment, Rolle definieren und kommunizieren)
Es braucht Courage
Kommt dir was bekannt vor? Mir schon. Umso mehr hoffe ich, dass wir mit unserer Impro- und Schauspielarbeit ein bisschen mehr FlexibilitΓ€t, Entspannung und Menschlichkeit in Organisationen bringen. FΓΌr viele Beteiligten, die zum ersten Mal bewusst ihren Monstern begegnen, ist das mit grosser Anstrengung verbunden. Es braucht Courage. Umso mehr verdienen sie meinen vollen Respekt.
Auch ich habe in der intensiven Zusammenarbeit ein altbekanntes, persΓΆnliches Monster wiederenteckt. Ich nenne es liebevoll Hofgeschwafel: Ich habe Angst davor als verletzend wahrgenommen zu werden und rede, gerade bei unangenehmen und persΓΆnlichen Themen, deshalb gerne um den heissen Brei herum. Das hilft weder mir noch meinem GegenΓΌber. Ich laufe Gefahr, mich in solchen Situationen immer tiefer in hΓΆflichem Geschwurbel zu verstricken, wΓ€hrend mein GegenΓΌber sich schon Sorgen macht, was wohl gleich kommen mag. Meine Erkenntnis aus der Begegnung mit meinem Monster: In Zukunft will ich noch direkter und ehrlicher sein, mit weniger und wichtigeren Worten auf den Punkt kommen. Mit ehrlichem Respekt, persΓΆnlicher WertschΓ€tzung und viel Vertrauen in meine GesprΓ€chspartner. Deshalb nur noch das hier …
Wenn die Wurst plΓΆtzlich weg ist
“Rita spaziert alleine durch einen finsteren Wald und findet eine HΓΆhle. Aus der HΓΆhle hΓΆrt sie ein tiefes, lautes SchnarchgerΓ€usch. Das muss ein furchtbares Monster sein, das da schlΓ€ft. Sie tritt in die HΓΆhle und sieht einen riesigen schwarzen BΓ€ren. Der Gigant riecht den fremden Duft, erwacht, schreckt auf und knurrt Rita furchteinflΓΆssend bΓΆse an. Rita nimmt langsam ihren Rucksack und tastet nach der Wurst, die sie als Proviant dabei hat. WΓ€hrenddessen kommt der BΓ€r nΓ€her und schaut sie durchdringend an. Rita geht langsam rΓΌckwΓ€rts bis sie mit dem RΓΌcken an der HΓΆhlenwand anstΓΆsst. Wo ist bloss diese Wurst?
Rita riecht den ΓΌblen Atem des BΓ€ren, dessen Nase schon fast ihr Gesicht berΓΌhrt. Da holt Rita tief Luft, richtet sich auf und brΓΌllt den BΓ€ren an, so laut sie kann. Der BΓ€r ist ΓΌberrascht und fΓ€llt rΓΌckwΓ€rts auf seinen Po. Einen Moment herrscht Totenstille. Das Bild des unbeholfenen BΓ€ren bringt Rita zum Grinsen. Dann beginnt sie leise zu Lachen und wird immer ausgelassener. Sie kann sich kaum mehr halten, muss sich MΓΌhe geben Luft zu kriegen. Jetzt steckt sie mit ihrem Lachen selbst den BΓ€ren an. Minutenlang kΓΆnnen sich beide nicht mehr beruhigen. Haben gegrinst, gelacht und geprustet. (Anm. d. Red.: Im Ernstfall bitte nicht nachmachen!) (Anm. d. Autors: DOCH! Unbedingt.) (ZusΓ€tzl. Anm d. Red.: Metaphorisch ja, bei echten BΓ€ren nein! ;-)
Anschliessend liegen beide erschΓΆpft und mit trΓ€nenfeuchten Augen auf dem HΓΆhlenboden. Rita greift nochmal in den Rucksack, findet jetzt ihren Proviant und bietet dem BΓ€ren die HΓ€lfte der Wurst an. Das schmeckt. Beiden. Seit diesem Tag ist Rita nicht mehr alleine im Wald unterwegs. Und der BΓ€r auch nicht. Sie nennt ihn liebevoll “MONSTER”.”
Wie heissen deine Monster? Ich freue mich ΓΌber Kommentare (hier unter dem Beitrag).
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