Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation
Improvisationstheater und Professionalität, ist das vereinbar? Sind wir ImprospielerInnen nur faule Säcke, die keinen Bock darauf haben Texte und Bühnengänge einzustudieren? Wie es im Allgemeinen um die Professionalität im Impro bestellt? Dies und noch mehr fragt sich Gabriela Renggli in ihrem Blogbeitrag.
Vor ein paar Wochen probten wir unseren Impro-Auftritt für die Thuner Kleinkunstbörse. Die Börse ist eine wichtige Plattform für die Kleinkunstszene in der Schweiz. In Thun hatten wir ein Zeitfenster von gerade einmal zehn Minuten, um uns und unser “Produkt” möglichen Kunden zu präsentieren. Also musste unser kurzer Auftritt überzeugen.
Jemand aus unserer Gruppe sagte während der Probe: „Sagt nicht explizit, dass die Szenen improvisiert ist, sondern eher, dass wir spontanes Theater machen. Das Wort Improvisation kommt bei der Kleinkunst nicht gut an, und tönt nicht professionell.“ Wir stellten uns die Frage, ob das stimmt. Und zugleich stellten wir uns in Frage.
Ein paar Tage später spielte ich mit zwei wunderbaren Kollegen ein Interventionstheater in einem Pflegezentrum in Zürich. In der Anmoderation sagte unser Moderator: „Wir sind das theater anundpfirsich und machen improvisiertes Theater. Wir sind also die Sorte von Schauspielern, die zu faul sind, ihren Text auswendig zu lernen.“ Das Publikum lachte…
Wie qualifiziert sind wir?
Im Nachhinein habe ich gemerkt, dass mich beide Aussagen stör(t)en. Beide Äusserungen lassen unsere Arbeit unqualifizierter erscheinen, als sie tatsächlich ist.
Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit Improtheater. Ich probe, bilde mich weiter, lese zu diesem Thema Bücher, tausche mich mit KollegInnen aus, spiele Shows und reflektiere diese. So wie ich machen es viele andere in der Szene auch, seit Jahren. Das ist doch professionell, oder? Per Definition hat ein Profi Fachkenntnis und kann die Konsequenzen seines Handelns abschätzen, hat ein Können in seinem Gebiet und bildet sich weiter. Ich fühle mich professionell.
Zugleich beobachte ich, dass Improtheater in der Schweiz (und im Rest Europas) immer noch ein stiefmütterliches Nischen-Dasein pflegt. Wieso gibt es an den Schauspielschulen kein Schwerpunktfach Improtheater? Es gibt bestenfalls ein paar wenige Workshops zum Thema Improvisation. Improtheater ist kein “richtiges” Theater. In der Regel unterrichten diese Weiterbildungstage Menschen, die man in der Improszene gar nicht kennt.
Die Suche nach Anerkennung
Wie schaffen wir es, Impro in der Gesellschaft und in der Kulturszene zu etablieren und damit die nötige Anerkennung zu bekommen?
Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist sicher, unsere eigene Haltung zu Impro klar zu äussern. Wir machen improvisiertes Theater, mit Leidenschaft und Professionalität. Impro ist mehr als nur ein Hobby.
Wir (Anm. der Red.: das theater anundpfirsich) bieten in unserem Theater “töpferei” Impro-Workshops an. Für Anfänger, für Weitermacher, für Fortgeschrittene. Und wir haben eine tolle Masterclass für all jene, die noch mehr wollen. Wir führen regelmässig Seminare für Berufsschaffende durch, in den Bereichen Auftrittskompetenz, Status und Storyelling. Wir haben eine erfahrene künstlerische Leitung, die uns ein klares künstlerisches Profil gibt und unsere Shows entsprechend programmiert. Es wird geprobt, gespielt und reflektiert.
Das alles sind wichtige Faktoren, um ernstgenommen zu werden und sich dauerhaft zu etablieren. Und dennoch braucht so ein Wandel Zeit und Geduld. Es lohnt sich beides zu investieren. Lasst uns etwas Pionierarbeit leisten. Wir sind Profis und die Welt da draussen soll das wissen.
(… Gleichzeitig denke ich manchmal leise für mich, hat es auch Vorteile, in einem Nischenprodukt tätig zu sein. So bewahrt man sich gewisse Narren-Freiheiten, die Impro (und ich) auch brauchen).