Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation und Theater
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Emilia Meincke ist gerade von Berlin nach Zürich gezogen. Nach dem sie lange Zeit im wohl grössten deutschsprachigen Impromikrokosmos schwamm, taucht sie nun in den grössten schweizerischen Mikrokosmos ein. In diesem Blogbeitrag beschreibt sie ihre ganz persönlichen Einsichten und Vergleiche. Was denkt Berlin? Und was denkt Emilia über Zürich? Finde es heraus…
[one_half]Juten Tach, BERLIN mein Name! Kennste?
Ich bin Heimat von an die 40 Improgruppen. Die Dunkelziffer ist selbst mir unbekannt. Ich biete eine Impro-Szene, die Abwechslung verspricht und dir als Spieler oder Zuschauerin jeden Abend eine Show ermöglicht, wenn du nur willst. Ich bin die Wiege der weltbekannten Gorillas und von Theatersport Berlin.
Ich biete Raum für Impro-Festivals aller Art – ob Marathon, Wochenende oder wochenlanges Spektakel. Bei mir kommt jeder auf seine Kosten. Ob Langformat oder Match, ob auf deutsch oder englisch, französisch oder schwedisch, ob für Kinder oder für Erwachsene, ob Krimi oder Märchen, ob Soloshow, Duo oder Gruppen-Format. Ich bin Heimat für Improdenker, -kritiker und -förderer.
Meine Improgruppen sind teilweise schon alt und haben viel Erfahrung. So manche feierte schon ihren 25 Geburtstag. Und doch bin ich im Inneren nicht besonders gut vernetzt.
Ich bin ein Umschlagplatz von Impro-Stilen
Ich lebe von vielen verschiedenen Einflüssen. Ich habe nie meine eigene Art Impro zu spielen entwickelt. Ich bin ein Umschlagplatz für jeden Stil – ob US-amerikanisch, kanadisch, britisch, französisch oder deutsch – fast jede Auffassung zur Impro existiert hier.
Jeder spielt wie es ihm oder ihr gefällt, ob lang- oder kurzformatig. Es ist alles möglich und weil ich so viele Möglichkeiten biete, kann man sich auch wunderbar aus dem Weg gehen und die Auseinandersetzung vermeiden. Jeder spielt für sich – Anonymität wird grossgeschrieben und ist ein Geschenk, das ich dir bieten kann. Mach was du willst.
Keene Asche in de Tasche
Ich bin Gastgeber für jedermann/-frau. Und jedermann/–frau will mich besuchen und hier spielen. Ob du aus Israel, Australien oder Kolumbien angereist bist, ob du Kanadier oder US-Amerikaner bist oder aus näheren Ländern kommst, ich freue mich auf dich und du kannst gewiss sein, dass ich dir zuhöre und mir Dinge von dir abschaue, dass ich mich beeinflussen lasse und deinen Besuch geniessen werde.
Ich biete wenig Geld, aber mein Gesamtpacket scheint verlockend, denn es gibt ja noch so viel mehr als Impro. Wie lange deine Ideen und dein Einfluss erhalten bleiben, weiss allerdings niemand, denn ich habe nie gelernt etwas festzuhalten oder nachhaltig Impro zu denken. Jeder sucht für sich den heiligen Gral und ist auf sich gestellt. Die Furcht vor Überformung oder Verdrängung ist zu gross.
Spielstile werden mit hochgezogenen Augenbrauen wahrgenommen und beurteilt. Lästereien sind ein wichtiger Teil meiner Improszene. Ich biete keine Improschule, die die Szene gross beeinflusst. Die professionellen Spieler haben nur sporadisch Kontakt zu meinen Amateurspielern. Hier kann jeder unterrichten. Jeder kann sagen, was ihm wichtig ist im Improvisationstheater und sich ausprobieren und erproben.
BühnenRausch, auwacka, dit is n Ding!
Grössten Einfluss nimmt dann schon das Theater BühnenRausch. Ein Theater mitten in meinem Herzen, das sich ganz und gar der Impro verschrieben hat und unzähligen Improspielern eine Bühne bietet. Die monatliche ÜberRauschungs-Show bietet Spieler aus verschiedenen Gruppen eine Plattform sich zu treffen, kennenzulernen und zu vernetzen. Eine wunderbare und mehr als wertvolle Institution in meiner anonymen Art.
Doch nicht nur das Theater BühnenRausch bietet eine Bühne für meine Improspieler. Ob Schule, Cafés, Bars und Kneipen, Bibliothek, Kino oder Lagerhallen, ob an der Hauptstrasse oder im dritten Hinterhof, ob auf der Strasse oder in der Uni – es kann und wird überall gespielt.
Ich biete dir viel und manchmal vielleicht sogar zu viel, dann verlierst du dich in all meinen Möglichkeiten. Ich biete Abwechslung und Überraschung. Ich biete qualitativ hochwertige und minderwertige Improshows. Ich bin Heimat von an die 40 Improgruppen. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher. Ick bin Berlin. [/one_half]
Grüezi mitenand, i heisse ZÜRI. Kennen Sie das?
Du bist Heimat von an die 12 Improgruppen und es werden immer mehr. Du bietest eine Impro-Szene, die im Wachstum ist. Zeigst Shows die begeistern können, bietest Gameshows wie auch Langformate, Musicals und Krimis, Gruppenspektakel, Improbrunches, Duos oder Shows ganz ohne Worte.
Du zeigst eine Vielfalt an Formaten, die man anders wo vergeblich sucht. Du experimentierst, probierst dich aus und erfindest manches neu. Und du denkst viel an dein Publikum. Du hast seit fünf Jahren dein Improfestival SPUNK.
Du bist beeinflusst vom kanadischen und amerikanischen Improstil. Du lässt Theatersport in seiner originalen Form spielen und zelebrierst einen bunten Maestroabend, der Offenheit und Herzlichkeit verströmt und das Format in seinem Ursprung ehrt. Du holst den Harold aus Chicago und lehrst ihn zu lieben, zu verstehen, zu durchdringen und zu spielen.
Gemeinsam neues entdecken
Du hast ein eng zusammenhängendes Gruppengefüge, das sich in einem regen Austausch befindet, ob spielerisch oder personell. Du lädst dich gegenseitig zum Spielen ein und bietest aufstrebenden jungen Spielern Raum und Platz zum Ausprobieren. Du forderst dich in Discos, Bars, Stadthäusern, Kirchen, Puppentheatern und Clubs zum neuen Entdecken der Improkunst heraus.
Du lädst dir Gäste ein und bittest um den Austausch und die gegenseitig Inspiration. Du scheust dich nicht vor fremden Sprachen, weil du so viele Sprachen schon in dir trägst. Du bist nicht knauserig, sondern sehr bedacht, die Leistung und die Kunst als täglich Broterwerb zu honorieren. (Anm. der Redaktion und Fun fakt: Ein Döner kostet in Züri 5 bis 10mal soviel wie in Berlin).
Du zeigst, dass Impro eine Arbeit sein darf und dass man, wenn man will von dieser Kunstform leben kann. Gelichzeitig steht für dich nicht immer nur das Geld im Vordergrund.
Nichts wird dem Zufall überlassen
In dir wohnt eine stark dominierende Improschule, die den Boden einer gemeinsamen Sprache schafft, die es der Impro möglich macht, sich kollegial, tolerant, akzeptierend, willkommen heissend und offen zu zeigen. Ganz bewusst wird ausgebildet und es wird nicht dem Zufall überlassen, wie man spielt. Vernetzung und Förderung der Schüler steht im Vordergrund.
Du bietest ein Mass an Möglichkeiten, das man überblicken kann. Du hältst einen Standard von hoher Qualität für angemessen, der nicht unterschritten werden sollte. Du bist Heimat von an die 12 Improgruppen und es werden immer mehr. Du bisch Züri.