Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation
Umarmen und loben wir uns zu häufig, schmieren wir uns zu viel Honig um den Mund, sagen wir zu oft “Ja!”? Diese und weitere Fragen beantwortet Christian Käser mit einer klaren Meinung in seinem aktuellen Beitrag zum Improblog.
Improspielerinnen und Improspieler sind furchtbar nette Menschen. Wir umarmen uns herzlichst fünfmal vor der Show, fragen wie es der Katze und der Mutter geht, schauen uns in die Augen und machen Komplimente, wie sie selbst Kurt Aeschbacher (Anm. d. Red.: In Deutschland wäre es Johannes B. Kerner) nicht schleimiger hinkriegen würde.
Nach den mehr oder weniger gelungenen Taten auf der Bühne bedanken wir uns für die wunderbare Show, übertreffen uns beim gemeinsamen Feedback mit Lobesworten auf den schönen “Spirit” des Abends und die wunderbare Spielfreude, um dann nach fünf weiteren Umarmungen glückgeschwängert in die grausame Welt der nicht-improvisierenden Menschen zurückzukehren. Wisst ihr was: Das ist doch Alles Hippiekacke!
Ich bin der Meinung, dass es dem improvisierten Theater als Kunstform gut tun würde, wenn wir nicht immer so verdammt nett zueinander wären. Und ich möchte hier drei Gründe nennen:
Play to the top of your intelligence! … Irgendein bekiffter Improguru wird das mal gesagt haben. Und er (oder sie) hatte recht damit. Improvisierte Szenen sind manchmal furchtbar schlecht, langweilig, uninspiriert, klischeebeladen und im schlimmeren Fall gar sexistisch oder rassistisch. Das darf auch so mal nach der Show gesagt werden – danach könnt ihr Euch immer noch fünfmal Umarmen.
Die Kraft des Blockierens! … Weil wir so nett miteinander sind, haben wir Keith Johnstones Fixierung auf das Blockieren etwas zu ernst genommen. Ich finde es würde vielen Szenen gut tun, wenn die Spieler sich auch mal getrauen würden Nein zu sagen. Wir können das Prinzip des Spiels trotzdem hoch halten, auch wenn wir zugeben, dass uns eine Idee nicht inspiriert oder indem wir Widersprüche, die in der Szene auftauchen, ansprechen.
Lasst die Freaks rein! … Ich glaube, wir müssen aufpassen, dass uns im Improtheater die Freaks nicht abhanden kommen. Eckige Charaktere, die Warm-ups Scheisse finden, dafür auf der Bühne wie Osterglocken erblühen; grandiose Schauspielerinnen, die nur eine ganz spezifische Form der Improvisation interessiert und Games Scheisse finden; wilde Anarchisten, die noch nie einen Improkurs belegt haben, Improkurse Scheisse finden und das auch so sagen.
Und bitte jetzt: Seid nicht so verdammt nett und kritisiert meine Sicht der Dinge. Ihr könnt mich dann vor der nächsten Show wieder fragen, wie es meiner Mutter geht und mich von mir aus auch sechsmal Umarmen.