Reimen ist etwas Schönes und darf auch auf der Improbühne kultiviert werden. Aussagen wie: „Ich bin halt nicht so die Reimerin“ oder „Ich hab manchmal Tage, da läufts und manchmal läufts eben nicht“ sind letztlich Ausreden. Und man muss nicht unbedingt einen Workshop besuchen, um besser reimen zu können. Wirklich besser wird nur, wer immer und überall trainiert. Denn eins ist sicher: Reimen ist eine Fähigkeit, die man üben kann!
Willst Du besser werden? Hier ein 10 Punkte Reim-Trainingsprogramm:
1. Hör Dir guten Rap an!
Freestyler sind uns Improspielern Lichtjahre voraus. Viele Freestyler haben in den 90ern bekifft drauflos improvisiert, als wir noch im Café sassen und Keith Johnstone lasen. Hör sie Dir an, diese Rapper, die reimen was das Mikro aushält. Mein momentaner Freestyle-Favorit: Otto Normal.
2. Lies Gedichtbände!
Lies Gedichte und lass Dich inspirieren. Mach es Dir nicht zu schwer und konsumiere diejenigen Gedichte, die Dir gefallen. Wie wärs mit Christian Morgenstern, Shakespeares Sonetten oder Franz Hohler? Allesamt wahre Improvisateure am Dichtertisch.
3. Leg sofort los!
Leg los! Ja. Jetzt! Es ist egal, wenn jemand zuhört. Du solltest immer reimen. Unter der Dusche, beim Joggen, im Supermarkt, beim Essen. Völlig egal. Reim einfach drauflos. Eine gute Übung ist etwa, sich auf alles was man sieht einen Reim zu suchen. Ich gehe manchmal zuhause durch den Raum (zum Beispiel durchs Wohnzimmer) und reime mich vorwärts. Ich sehe einen „Tisch“ und reime „Fisch“. Ich sehe eine „Pflanze“ und reime „Wanze“. Da steht eine „Kerze“ … „verscherze“ … In einer nächsten Stufe lasse ich einen Reim im Kopf kommen, spreche aber nicht sofort diesen ersten Reim aus, sondern suche mir einen zweiten. Zum Beispiel: Tisch (ich denke Gemisch) und sage Fisch. Achte dabei darauf, dass Du einen Rhythmus entwickelst. Wenn ein Reim nicht kommt, dann lass das Wort einfach ziehen und geh weiter. Falls es Dich juckt, schau später im Reimlexikon (Willy Steputat, Reclam Verlag) nach.
4. Keinen Reim, das gibt es nicht!
Dass es auf gewisse Wörter keine Reime gibt, stimmt für Dich nie! Du findest einen. Selbst für die dümmsten Endungen. Dabei kannst Du Dir mit falschen Reimen helfen. Du musst nur die Betonungen etwas verschieben. Auf „Auto“ reimst Du etwa „lauter“ oder Du reimst auf „Brandenburg“ das Wort „gegurkt“. Letzterer ist aus Reinald Grebes „Brandenburg“. Das Lied zeigt auf, wie schön solch falsche Reime sein können.
5. Sei crazy!
Reime wie eine Besessene! Der Inhalt, den Du dabei produzierst, interessiert Dich überhaupt nicht. Du produzierst dadaistische Reimkaskaden, Nebelschwaden, die Faden haben und sich verwickeln und prickeln… Was Du suchst ist Flow. Wenn Du dazu Drogen brauchst – fair enough. Wenn nicht, umso besser. Mach den Reim zu deiner Droge.
6. Gib Dir einen Kontext!
Gib Dir einen Kontext, oder eine Welt. Nehmen wir als Beispiel „Autobus“. Nun versuchst Du nur innerhalb von dieser Welt Sätze zu reimen. Konzentrier Dich nicht zu stark auf eine Geschichte, die sich vielleicht ergibt, sondern versuch einfach nur innerhalb desselben Kontextes zu reimen. Wichtig ist, dass Du dabei innerlich Bilder produzierst, die Dir als Assoziationsketten dienen. Also etwa: „Ich fahre durch die Strassen und muss die Leute bespassen, durch mein Mikrophon, monoton, es ist ein Hohn, mit geringem Lohn und die Räder sind rau und mein Bus, der ist blau…“
7. Bereite Deine Reime vor!
Du möchtest zum Beispiel, dass Deine gereimte Zeile mit „Licht“ aufhört. Überleg Dir einen Reim auf Licht, nimm aber dieses Reimwort in die erste Zeile. Also etwas so: „Ich habe heute Abend Schicht“. Das Zielwort, auf das Du Reimen möchtest bringst Du erst in der nächsten Zeile. „…Und schaue in das fahle Licht“.
8. Mach mehrsilbige Reime!
Wenn Du Punkt Eins befolgt hast, merkst Du, wie viele Hip Hopper Freude an mehrsilbigen Reimen entwickeln. Also ein „Zimmermann, der immer kann“ oder „Für einen kaputten Wasserhahn, lassen Nutten nur nen krassen Mann ran“. Spiele damit!
9. Mach komplexere Reimformen!
Begnüge Dich nicht mit einem AA-BB-Reimschema. Versuche Dich auch einmal mit einem AB-AB, AB-CB, oder experimentiere mit anderen Formen.
10. Leg endlich los!
„Was? Jetzt wo ich diesen Blogeintrag hier lese?“ Ja genau, jetzt! Ist doch egal, wenn sich die Leute nach dir umdrehen, weil du gerade im Tram sitzt. Hau ihnen einfach einen Reim rein. Aber voll in die Fresse!