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In seinem Blogbeitrag beschreibt Gerald Weber, warum Meinungen (seiner Meinung) nach so wichtig sind und Fragen stellen sowie mit der eigenen Meinung hinter dem Berg halten störend sein kann.
Der Text ist ein Teil einer Koproduktion mit Sven Stickling, der in seinem Beitrag fragt, ob Meinungen nicht störend sind und Fragen viel hilfreicher. Svens Text findest du hier: “Fragen sind Geschenke, Meinungen Waffen!”
Ich mag die Suche nach „Wahrheiten“. Ich mag Fragen. Ich mag Meinungen. Ich mag Aussagen. Ich mag auch Menschen, die klare Fragen und Meinungen haben und diese Vertreten. Ich mag vor allem Menschen, die bereit sind ihre Meinungen zu äussern und dann auch bereit sind, sie zu ändern, wenn sie was Neues erfahren oder gelernt haben. Das wertet ihre Meinung von vorhin nicht ab. Ich weiss, denke und fühle zu einem Zeitpunkt nur das, was ich weiss, denke und fühle – und für den Moment ist das okay.
In der Impro bringen wir Spielern bei, sie sollen Aussagen machen, Meinungen haben und sich konkret ausdrücken. Das machen wir, indem wir auf das assoziieren, was jemand vor uns getan hat. Ist doch ganz einfach… Deshalb probiere ich das gerade jetzt, in diesem Text.
Hier ein paar Meinungen zu Impro:
– Impro ist für mich keine Kunst, sondern ein Werkzeug.
– Ich finde, wir machen (fast immer) Unterhaltung und kein Theater. Ich finde das auch vollkommen okay.
– Soloimpro interessiert mich nicht, denn das Reaktive fehlt mir.
– Wenn ich eine Szene oder Show genossen habe, war sie gut. Wenn nicht, dann nicht.
– Wenn man ein Format, Spiel, Übung übernimmt, dann sollte man seinen Ursprung nennen.
Niemand kennt (fast je) die Wahrheit. Ich nicht. Und du nicht. Deswegen ist es doch so schön, dass wir gemeinsam suchen und raten können, was die Wahrheit sein könnte. Das machen wir mit Meinungen, Aussagen und Begründungen. Mit unseren „best guesses“ über die Wahrheit, mit Hilfe von dem, was wir zu diesem Zeitpunkt halt wissen. So lerne ich was du denkst und warum. Und hoffentlich kann ich dir meine Meinung erläutern. So schaffen wir Wissen, inspirieren uns gegenseitig und bereichern oder verändern unsere Ansichten sogar.
Teile die Unsicherheit
Wenn ich so auf Meinungen – und ihre Manifestierung in Aussagen – schaue, kann ich nicht verstehen, warum so viele mit Ihren Meinungen hinter den Berg halten. Meinungen sind doch nur Antworten auf Fragen die wir haben, derer wir uns nicht ganz sicher sind. Und das ist okay. Ich glaube, dass die Meisten auch eine Antwort in ihrem Kopf haben, aber sich ihrer einfach nicht sicher sind…
Ich denke, man darf auch Sachen teilen, über die man sich selbst nicht ganz sicher ist. Denn wenn man bereit ist sie zu begründen, hilft das dem anderen sie zu verstehen, und vielleicht seine auch zu überdenken und zu verändern.
Und vielleicht ist hier ein Knackpunkt mit Meinungen. Der Austausch von Aussagen und Meinungen ist nur dann sinnvoll, wenn alle bereit sind ihre Meinungen auch loszulassen und aufzugeben, wenn etwas Überzeugenderes daherkommt. Unsere Meinungen sind nicht unsere „Kinder“, nicht unsere „Produkte“, die wir verteidigen müssen. Sie sind unsere momentane Sichtweise auf die Welt. Die Meinung steht in diesem Bild also zwischen dir und der Welt. Die Meinung bist nicht du und du bist nicht deine Meinung.
Singen ist oft eine Flucht
Meinungen vertreten ja, verteidigen nein. Ich möchte wissen warum du meinst, was du meinst. Was ist der Auslöser, der Grund, das zugrundeliegende Gefühl, das dich zu deiner Meinung bringt? Das ist doch das wirklich Interessante! Dafür müssen wir aber bereit sein, unsere eigenen Meinungen zu erforschen.
– Ich glaube, dass Singen oft eine Flucht vor langweiligen Szenen und unsicherer Impro ist.
– Ich mag clevere, intelligente Impro, wo ich denke: „Wow, wie haben die das zusammenbekommen, wo kam das denn her?“
– Ich schaue Impro vor allem gerne, weil ich Menschen improvisieren sehen möchte und sekundär wegen der Geschichten.
– Politische Impro ist meiner Meinung nach möglich. Mit politischen Menschen / Spielern, die bereit sind sich viel Wissen anzueignen und kontroverse Positionen zu beziehen.
– Jede Szene sollte in sich unterhaltsam sein.
Ich glaube, man kann eine Meinung (oder ein Gefühl) haben, bevor man weiss warum, aber ich glaube auch, man kann immer bei sich selber forschen, warum man das fühlt oder meint. Dadurch wird man mit sich selber konfrontiert. Und das will und kann nicht jeder immer. Ich wünsche übrigens allen BREXIT, PEGIDA und AfD Anhängern genau diese Erforschung! Eine Aussage wie „Das ist halt meine Meinung!“ ist für mich nur Faulheit sich selbst zu hinterfragen. Vielleicht kenne ich den Grund noch nicht, aber dann sollte ich mich auf die Suche machen, wenn wir nach Veränderung, Verbesserung, Erkenntnis streben.
Eine Meinung ist kein Fakt
Für mich ist das ein positivistischer Ansatz. Man kann auch anders Meinungen austauschen, siehe jede mir bekannten Politik-Talk Sendung. Wenn man ohne zuzuhören seine Meinung mitteilen will, dann kann man seine Meinung absolut machen. Ich glaube, dass Meinung, Aussagen und Argumente eine so schlechten Ruf bekommen haben, den sie nicht verdienen.
– Status, Beziehungen und Genres werden in der Impro zu wenig eingesetzt.
– Theatersport™ (sinngemäss gespielt) ist geil. Der Harold (sinngemäss gespielt) ist geil.
– Jedes gute Format hat ein moralischen Wollen. Wenn man dieses aus den Augen verliert, wird das Format schlecht und flach.
– Raum auf der Bühne und in der Show muss vor allem genommen werden.
– Frauen sollten mehr Heldinnen spielen.
Eine Meinung ist kein Fakt. Eine Aussage keine Antwort und ein Argument keine Waffe um jemanden zu überzeugen. Eine Meinung ist nur eine Antwort auf eine Frage, derer ich mir nicht ganz sicher bin. Eine Aussage ist die sprachliche Manifestierung dieser Meinung und ein Argument ist der Grund warum ich diese Meinung habe.
Also her mit deinen Meinungen! Ich glaube, Meinungen sind Geschenke. Und ich glaube, du darfst sie haben und du darfst sie dir zugestehen. Du schenkst mir deinen Gedankengang und ich darf schauen, was es mit mir macht. Wahrscheinlich wirft es neue Fragen bei mir auf.
Jede Meinung ist eine versteckte Frage
Ich mag Fragen, ich habe viele Fragen und ich teile meine Fragen auch, aber Fragen als Selbstzweck ist egoistisch. Wenn man was gefunden hat (wie eine Meinung), dann sollte man sie doch auch teilen. Deine Meinung wird nicht schlechter oder weniger, wenn man sie teilt! Ich mag keine Fragen, die versteckte Meinungen sind. Umgekehrt ist es wahr: jede Meinung ist eine versteckte Frage.
Fragen zu beantworten ist eine Stärke von Improspielern in Szenen. Wir sind es geübt intuitiv, assoziativ und ehrlich zu reagieren. Also könnten wir auf eine Frage mit einer zumindest assoziativen Antwort reagieren. Ich wünsche mir diese Fähigkeit mehr in der Welt abseits der Szenen.
– Ich mag es überrascht und unterhalten zu werden.
– Unterhaltung kann auch traurig, nachdenklich, berührend sein.
– Ich glaube, es gibt keine schlechten Vorgaben.
– Ich finde Impro-T-Shirt-Uniformen für Shows bescheuert, weil alle Charaktere sollten nicht gleich aussehen.
Ich empfinde, dass wir In der Welt der Impro oft unsere ehrlichen Meinungen nicht sagen. Vielleicht weil wir einander schonen wollen oder weil wir uns das Recht unsere Meinungen zu teilen, selber nehmen.
Eine Meinung ist in diesem Sinne keine Beurteilung, keine Aufforderung etwas zu ändern und keine Wahrheit über etwas, sondern einfach der persönliche Blickwinkel in diesem Moment auf die (Impro)Welt. Die kann sich ändern, aber ich kann vielleicht jemanden mit meiner Meinung inspirieren…
Eine Meinung ist ein Geschenk, keine Waffe.
Daher teilt eure Meinung. Seid nicht zu streng mit euren eigenen und mit denen anderer. Jede Meinung ist eine Chance sich zu ändern oder was zu lernen. Oder auch um ignoriert zu werden.
– Viola Spolin und die Arbeit des Second City werden in Europa zu sehr unterschätzt.
– Gute Shows kommen durch gutes Spielen. Nicht durch gute Formate und nicht durch richtige Spielreihenfolge.
– Das Streben nach Tiefgang und Abwechslung werden meiner Meinung nach in Shows überbewertet.
An dieser Stelle endet der Beitrag “Meinungen sind Geschenke, keine Waffen!” von Gerald Weber, den Beitrag “Fragen sind Geschenke, Meinungen Waffen!” von Sven Stickling findest du HIER.