Der Improblog
Geheimnisse, Erlebnisse, Meinungen zu Improvisation
In diesem Beitrag erinnert Gerald Weber an die unbesungenen Helden der Impro. An all jene Improlehrer, die im Stillen und Kleinen ihre Arbeit tun. All jene, von denen wir nur selten etwas hören, sehen oder lesen.
Für mich beginnt im März mit dem Improfestival in Berlin jedes Jahr die Festivalsaison. Ich weiss, dass es das ganze Jahr tolle Festivals gibt, aber die Art und Weise wie das Festival in Berlin wahrgenommen und verbreitet wird, die finde ich besonders beeindruckend. Per Facebook und impro-news.de können wir alle mitbekommen, was in Berlin gerade tolles passiert und wer sich dort alles tummelt.
Einige der besten Improspieler und Improspielerinnen Europas (und darüber hinaus) kommen zusammen und arbeiten miteinander. Ob dieses Zusammenkommen immer zu ausgezeichneten Shows führt, weiss ich nicht. Wahrscheinlich nicht immer, aber oft. Und alleine um die Spielweise dieser Spieler und Spielerinnen zu sehen ist ein Besuch des Festivals lohnenswert. Besonders für einen Impronerd wie mich.
Es werden Improhelden geschaffen
Ich froh, dass es solche Festivals gibt. Und ich möchte auch Würzburg, Bremen, Halle und Amsterdam hier mit einbeziehen. Zugleich fühle ich, dass noch etwas anderes geschieht. Es werden Helden und Heldinnen der Improszene geschaffen und Stars geboren. Diejenigen, die berufen werden zu diesen Festivals sind zugleich die Berufenen.
Das habe ich schon in meinen Anfängen als Improspieler in der Szene wahrgenommen. Und ich tue es auch heute noch. Versteht mich bitte nicht falsch – viele, die durch diese Festivals in unserem (kleinen) Scheinwerferlicht der Improszene hell erstrahlen, haben es absolut verdient und sind tolle Spieler und tolle Lehrer. Zugleich lässt es mich an all jene Menschen denken, die diese Wahrnehmung ebenso verdient hätten: alle anderen Improlehrerinnen und -lehrer.
Die eigentlichen Impromissionare
Ich meine die Menschen, welche die Anfängerkurse an Volkshochschulen, in Gemeindehäusern und kleinen Theatern geben; eigene Kurse, Jugendtheatergruppen, usw. unterrichten. Sie sind es, die überhaupt erst eine Basis für unsere Szene legen. Sie verbreiten den Gedanken der Impro in der Breite. Sie bringen Impro zu den Menschen überall in Europa (und auf der ganzen Welt). Sie zeigen, dass jeder improvisieren kann, dass jeder gemeinsam mit anderen spielen und erschaffen kann.
Die meisten ihrer Schüler werden nie auf einer Bühne vor zahlenden Zuschauern spielen, aber sie nehmen etwas fürs Leben mit. Einige ihrer Schüler fahren zu den Festivals, sehen sich dort Shows an, besuchen die Workshops und lernen etwas von den Stars der Szene. Ohne die Grundlagenarbeit der gewöhnlichen Improlehrer weitab des Festival-Scheinwerferlichts gäbe es die Improszene gar nicht.
Wenig Zeit für grosse Touren
Viele von diesen Lehrern haben nicht die Zeit für grosse Improtouren und -reisen, weil sie ein Berufsleben neben der Impro haben. Oder weil sie für ihre Schüler Verantwortungen und Verpflichtungen eingegangen sind, die es verhindern, für längere Zeit weiter weg zu reisen. Deswegen werden sie oft nicht wahrgenommen und leider kenne ich die meisten auch nicht. Das tut mir leid.
Ihr sitzt in Mannheim, Konstanz, Wien, Kempten, München, Basel, Würzburg, Hamburg, Berlin, Lüneburg, Zürich, Oldenburg, Mainz, Linz, Nürnberg, Köln, Bremen, Bern, Münster, Meiningen, Budapest, Amsterdam, Harlem, Oulu, und, und, und… (Anm. d. Red.: Gibt es auch jemanden in Bottrop?).
Klatschkreise mit alten Damen
Ich weiss nicht, ob ihr alle ausgezeichnete Lehrerinnen und Lehrer seid. Ich weiss auch nicht mit welchen Motivationen und auf welchen Philosophien beruhend ihr Impro vermittelt. Es ist mir in diesem Moment auch ganz egal. Ich möchte euch einfach danken, ihr seid meine unbefangenen Improhelden.
Ihr seid diejenigen, die Klatschkreise mit alten Damen machen; diejenigen, die Teenagern zeigen, dass „ja und“ positiv gemeint ist; diejenigen, die erwachsenen Menschen die Freude am Scheitern zurückgeben. Ihr seid diejenigen, die das Herz der Improszene schlagen lassen, durch eure kleinen und grossen Leistungen. Das ganze Jahr über, ohne dass Facebook, impro-news.de oder ich das mitbekommen.
Einige von euch waren vermutlich sogar die ersten Lehrer der Stars, die momentan auf den Festivals im Scheinwerferlicht erstrahlen. Und einige von euch waren auch meine Lehrer. Danke, dass Ihr Impro weitergebt. Für uns alle. (Abschliessende Anm. d. Red.: Das klingt jetzt irgendwie nach einem Lied! :-))